Raumakustik 6: Reeechts um!
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Lange habe ich überlegt, dann ein Weilchen geplant und jetzt habe ich es gemacht: Den Hörraum gedreht. Nicht den Raum an sich natürlich, aber die Einrichtung und vor allem: Die Kette von der Schmal- auf die Breitseite, in diesem Fall um 90 Grad nach rechts. Das, so das elektronische Orakel, würde mehr und zugleich auch einen ausgewogeneren Bass liefern, in Summe also ein besseres Klangbild.
Vorbereitung
Vor jedem Glück steht gute Planung. Um die Umbauzeit so kurz wie möglich zu halten, wurde ein bisschen länger nachgedacht: Wo soll die Anlage stehen? Welche Möbel müssen dort weichen – und wohin? Was wird in welcher Reihenfolge bewegt, damit möglichst wenig herumsteht und auch möglichst wenig aus dem Raum heraus und später wieder hinein getragen werden muss? Nachdem alles das geklärt war, schritt ich zur Tat.
Umbau
Stühle raus, Sessel raus, Boxen entkabeln und ans Rack schieben, Anlage entkabeln, Rack leerräumen, das Sideboard ausräumen, das wandern muss. Einen kleinen Rollcontainer umsetzen. Dann: Alles Schritt für Schritt an die Zielposition bringen.
Nach zwei Stunden stehen die Möbel an den geplanten Stellen und auch die Kette ist mehr oder weniger da platziert, wo sie sein soll. Zeit für eine kurze Dusche und einen ersten Höreindruck.
Der erste Höreindruck
Der erste Höreindruck? Ich patentierter Vollpfosten! Höhenlastig. Bassverdünnt. Mittenschwurbelig. Das pure akustische Gruselkabinett.
Wobei – das Rack ist noch nicht geerdet. Die Lautsprecher nur hin-, aber nicht im akustischen Sinne aufgestellt. Keine Entkoppler unter den Lautsprechern. Die Kabel im Vollkontakt zum Boden. Der Sweetspot geschätzt, aber weder mit Zollstock noch Ohren vermessen. Womit wir bei den nächsten Aufgaben wären: Der Feinjustage.
Feinjustage – Step 1
Für die Feinjustage greife ich auf das bewährte Werkzeug von Dr. Jörg Hunecke zurück, den Lautsprecher-Rechner.
Das Online-Tool bietet die Möglichkeit, seine Raumaße einzugeben, dazu den Lautsprechertyp im groben anzugeben und die Position der Lautsprecher, des Sitzplatzes und der Höhe des Kopfes zu verändern. Dabei zeigt das Tool mit Farbwerten von rot bis grün an, wie gut die Basswiedergabe am gewählten Hörplatz ausfallen wird.
Nach ein bisschen Online-Spielerei stehen folgende Maße für die Lautsprecher fest:
- Abstand zur Rückwand des Raums 80 cmm
- Abstand zur nächsten Seitenwand des Raums 135 cmm
Für die Mitte des Sitzplatzes werden folgende Maße als Ausgangspunkt ermittelt:
- Abstand zur Rückwand – 150 cm
- Abstand zur Seitenwand – 265 cm
- Ohrhöhe – 95 cm
Die Ohrhöhe habe ich vorab tatsächlich gemessen, so dass immerhin der Wert verlässlich ist und auch bleiben wird, da ich nicht mehr wachse und der Sessel auch nicht höhenverstellbar ist. Die übrigen Werte sind nach den Erfahrungen aus dem Artikel Raumakustik 2 – Lautsprecher aufstellen vom November 2016 aber in jedem Fall eine gute Richtschnur.
Dann mal los und die echten Boxen schieben.
Feinjustage – Step 2: Ohrentest
Wie das gerechnete Ohrenglück tatsächlich einschlägt, darf der erste Ohrentest beurteilen. Da es primär um Bass oder Bässer geht, wähle ich ein paar der rockigen Stücke aus, die alle etwas dicker sind. Zu den üblichen Verdächtigen gehören
Stone Sour, Toto, Ayreon und noch ein paar Spaßmacher.
Das Resultat?
Die Bühne ist breiter! Das war nicht, worauf ich primär hören wollte, aber es ist das, was als erstes auffällt. Der knappe Meter Raum als Zugewinn zwischen den Boxen weitetet die Raum-Illusion nicht unerheblich. Das ist doch mal was. Und der Bass?
Nun, der hält sich weiterhin eine Spur bedeckt. Zwar ist der Gesamtklang ausgewogener als bisher, aber da ist gewiss noch Luft nach unten – in den Bass-Keller.
Feinjustage – Step 3: Klang-Regelung
Also mache ich, was ich sonst nicht mache, einfach um zu testen, wie es denn um die Tieffrequenzen nun bestellt ist: Ich zwinge sie in den Raum, indem ich nicht die vorgewürzte Zubereitung der Produzenten ausschenke, sondern die Segnungen der Klangregelung nutze. Bass zur Hälfte reingedreht und wieder Platz genommen. Das Resultat?
Da ist doch Leben drin! Eindeutig mehr Fülle und Druck auf Kniehöhe – bildlich gesprochen. Wobei natürlich noch ein anderes Thema zu diskutieren wäre: Die Boxen selber.
Die Hans Deutsch HD 311 Retro Lautsprecher sind nicht gerade dafür bekannt, ein Faible für Rock- und Metal zu haben. Ihr Ruf begründet sich in ihrer kaum zu schlagenden Wiedergabe von natürlichen Schallquellen. Alles, was über eine PA gegangen ist, verträgt durchaus auch andere Schallwandler. Dumm nur, dass die nicht zur Verfügung stehen. Also drehen wir den Spieß um:
Akustischer Jazz und Klassik mit solidem Fundament sind jetzt gefragt. Hallo, Musikbibliothek? Was kannst du empfehlen?
Na, gut, dann wählen wir mal Brooke Sharkeys hiesigen Test-Dauerläufer Your Tomorrow wegen des körperreichen Kontrabasses, dazu für veritablen Tiefbass die Improvisation des Percussion-Ensembles auf der AYA-CD Are You Authentic – Authentic Audio Check, die für das Feintuning der Aufstellung in einem späteren Artikel noch ausführlich berücksichtigt werden wird.
Aus dem Klassik-Regal darf die tiefe Orgel des Intros zu Jerusalem Jerusalem aus dem Hollistic Mix der CD Himmelrand des Uranienborg Ensembles die Backen aufplustern. Schön und ruhig sind die tiefen Streicherpassagen des Lento – Sostenuto Tranquillo ma Cantabile in Henryk Goretzkis Symphonie No. 3. Und wie wäre es mit Kunikos Interpretation von Bachs Wohltemperiertem Klavier auf einer Marimba? Das sollte passen.
Das Ergebnis basst schon besser. Noch eines ist allerdings zu bedenken: Bass ist langwellig und damit so träge wie leistungsbedürftig, damit es richtig schwingt und auch im Bauch kitzelt. Damit wären wir bei Captain Kirk und seinem berühmten Zitat: „Scotty! Energie!“
Zusätzlich zum gedrehten Poti für den Bass drehen wir jetzt also noch am Poti für die Lautstärke. Die Lärm-App von Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte auf dem iPhone darf die Schalldruck-Grenze von 90 dB messen. Sobald die erreicht ist, ruht der Drehregler. Und nu?
Der Effekt ist beeindruckend, gemessen an der bisherigen Degustation der trägen Schallwellen. Eindeutig mehr Körper, ausgewogener, vielschichtiger und lebendiger sind die Tiefen gestaffelt, aufgefächert und dargeboten. Nun aber, da die Gier nach mehr geweckt ist, muss noch mehr Justage her.
Feinjustage – Ausblick
Für noch mehr Auf- und Einstell-Spielerei stehen mir seit kurzem zwei CDs zur Verfügung, die in den folgenden Wochen in Handhabung und Wirkung beschrieben werden sollen. Es sind diese beiden:
- Isotek – The Ultimate SystemSet-Up Disc
- AYA – Are You Authentic? Authentic Audio Check
Die Reihenfolge in der kurzen Liste ist auch die Reihenfolge, mit der die CDs an die Arbeit gehen dürfen. Warum? Die Isotek CD tritt explizit als Set-Up Disk an, also als Werkzeug, um eine Kette einzunorden, während die AYA-CD rein der Kontrolle der Klanggüte dient. Damit kann die zweite CD helfen zu beurteilen, ob mit der ersten alles gut geklappt hat.
Es bleibt also spannend.
Abbildungen: HighResMac, Dr. Jörg Hunecke
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