Auf Draht: Das Rack erden – sinnvoll oder nicht?
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Wenn das Tagwerk schon vollbracht ist und einen der Nachtmahr dennoch wach hält, kommen die Spielereien zum Zug. Zum Beispiel das Rack zu erden. Das Rack erden? Das führt doch gar keinen Strom. Stimmt schon, ist aber nicht die ganze Wahrheit.
Idee
Früher war das durchaus üblich, ein Rack zu erden, aber aus irgend welchen Gründen haben die meisten vergessen, dass sie das tun könnten. Dabei sind heute die Chancen für störende Einstrahlungen um ein Vielfaches gestiegen:
Dank zivilisatorischer Errungenschaften wie WLAN, Mobilfunk, Bluetooth, DECT und DVB-T 2 als Ergänzung zu UKW, MW, KW, LW, Satellitensignalen, Militärfunk, Polizeifunk und weiß der Geier was noch, tollen Wellen über uns her und auch in die Geräte. Und das ärgste daran: Viele dieser Stör-Funker sind in den eigenen vier Wände zu Hause!
Da böte es sich doch an, die sensible Elektronik von Hi, Fi und End mit etwas Schirmung zu bedenken. Was genau der Grund ist, das Rack zu erden. Denn da die meisten Racks zumindest teilweise aus Metall sind, sind sie in der Lage, einen faradayschen Käfig zu bilden, also einen metallenen Funkwellen-Absorber. Man muss ihnen dabei nur ein bisschen helfen. Und das geht so:
Material
Um das Rack zu erden, braucht es zum einen ein Rack, dass zumindest in Teilen aus Metall besteht. Prinzipiell geht natürlich auch ein Holzrack, dann müssen allerdings einige Drähte mehr verlegt werden.
Was uns zu Material-Komponente 2 bringt: Metall. Nochmal. In diesem Fall als Draht oder Flachband. Meine Wahl fiel auf einen 0,5 mm starken Messingdraht, weil Messing nicht oxidiert, nicht mit dem Stahl der Gewindebolzen meine Creaktiv Trend reagiert und weil es praktischer Weise direkt zur Hand war.
Dann ist Werkzeug nötig, allen voran ein Seitenschneider, um den Draht auf die passenden Längen zu bringen. Eine Flachzange kann auch nicht schaden, um die Drahtenden um die Gewindebolzen herum- und zusammen zu drücken, und um eine Schlaufe für die Erdungsschraube des Verstärkers zu formen.
Wer ein Flachband verwenden möchte, benötigt eine Metallsäge, um die Stücke passend zu schneiden, einen Bohrer für die Durchgänge der Gewindebolzen. Dann ist noch etwas Kabel nötig, das nach Lust und Laune geschraubt, genietet oder gelötet werden kann, und zwar an eines der Flachbänder, um diesem den Kontakt zur Erdung des Verstärkers zu ermöglichen.
Vorgehen
Damit die Erdung des Rack überhaupt sinnvoll ist, muss zuerst ein faradayscher Käfig geschaffen werden. Das bedeutet, dass die Standbeine untereinander verbunden werden müssen. Das ist bei einigen Racks per se der Fall. Hier muss nur ein Kabel von einem beliebigen Punkt des Racks an die Erdung des Verstärkers gelegt werden. Fertig.
Beim meinem Creaktiv Trend ist die Sache etwas schwieriger, denn was vorgibt, ein Bein zu sein, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als einzelne Rohre, die über Gewindebolzen durch die Böden miteinander verbunden sind. Damit ist zwar immerhin jede der vier Senkrechten ein Verbund, jedes der Schein-Beine ist aber elektronisch autark.
Um einen Verbund – Stichwort Käfig – zu schaffen, müssen die vier Beine also erst einmal zu einer Einheit werden. Das ist leicht gemacht:
Zuerst löse ich die Muttern der obersten Platte und hebe diese ab. Die Gewindebolzen, die nach oben ragen, werden jetzt verdrahtet. Ich entscheide mich über eine Lösung über Kreuz – das Bein vorne links mit dem hinten rechts verbinden und das Bein vorne rechts mit dem hinten links.
Dabei kreuzen sich die beiden diagonal verlaufenden Drähte und werden an diesem Treffpunkt einmal miteinander verdrillt. Schon sind die vier Beine verbunden. Noch die Platte wieder drauf, festschrauben. Schritt 1 erledigt.
Für einen Käfig müssen aber auch die unteren Beine miteinander verbunden werden. Hier wähle ich eine andere Variante, und zwar ein doppeltes L:
Nachdem ich das Rack in einen Kopfstand gebracht habe und die unteren Beine gelöst sind, verdrahte ich das Gewinde vorne links mit dem Gewinde hinten links und führe den Draht weiter bis über die Mitte der Rückseite. Entsprechend verfahre ich auf der rechten Seite. Beine wieder anschrauben, Schritt 2 auch erledigt.
Fehlt noch Schritt 3: Weil sich die Drähte an der Rückseite treffen, können sie leicht miteinander verbunden und ebenso leicht an die Erdungsschraube meines Verstärkers geführt werden, der auf der untersten Ebene seht. Schraube anziehen, schon ist der Käfig fertig und sicher geerdet. Mit Folgen, hoffe ich. Zu recht?
Und dann?
Um zu hören, ob denn die kleine Verdrahterei tatsächlich etwas bringt, muss noch ein Hörtest vor dem verdienten Nachtschlaf her. Die Wahl fällt ob der mitternächtlichen Stunde auf die Kopfhörer, und zwar die Elektrostaten, da diese wesentlich sensibler sind und auch Änderungen in Nuancen verlässlich mitteilen.
Also Cans on the head und lauschen. Was ist zu hören?
Nichts!
Um genauer zu sein: Absolut nichts. Kein Ton. Kein Rauschen. Kein Brummen. Nichts.
Was uns vor der ersten Note Musik bereits verrät, dass das hintergründige Brummen, das ich bisher in solchen Momenten im Ohr hatte, nicht an Erdungsproblemen eines der Geräte lag oder von Kapazitäts-Differenzen verursacht war. Offenkundig haben ganz andere Urheber in die Drähte und Komponenten eingeflüstert. Das ist nicht fein, aber offenbar gebannt. Drücken wir also Play.
Brooke Sharkey darf sich mit Your Tomorrow vom Album Wandering Heart äußern und tut dies sehr entspannt. Der Gesang wirkt geschmeidiger und runder, feinpoliert und gefälliger. Zwar nur in Nuancen, aber doch auffällig genug, um für die Gegen-Probe Mark Knopfler ans Mikrofon zu holen. Mit You And Your Friend vom Dire Straits Album On Every Street bestätigt er den Eindruck: Klar, eine Spur feiner, ausgewogener und fülliger trägt das Quartett den luftigen Song vor. Und die Klassik?
Denn alles Fleisch, es ist wie Gras, der 2. Satz aus Brahms Deutschem Requiem, eingespielt vom London Symphony Orchestra unter Valery Gergiev, klingt geschmeidiger und harmonischer. Auffällig sind die deutlich besänftigten Zischlaute, wenn die Briten das deutsche „s“ aussprechen. In den dynamischen Passagen sind die Violinen sanfter, ohne an Dynamik einzubüßen. Und auch bei höherer Lautstärke ist Fülle in Präzision zu haben, ohne das es in den Ohren nervt. Das ist doch mal was.
Am folgenden Tag folgte natürlich der Lautsprecher-Test. Auch hier sind Veränderungen offenkundig: Zum einen scheint der Bass fülliger und straffer. Die Musik wirkt mehr als Ganzes, Schärfen sind einem Plus an Feinheit und Präzision gewichen. Und auch hier wirkt alles etwas feinpoliert, geschmeidiger, gefälliger. Und nicht erst, wenn das Poti Richtung Mittelstellung wandert, sondern schon bei noch moderater Zimmerlautstärke um die 65 dB.
Fazit
Das Rack zu erden ist eine einfache Angelegenheit, die vor allem mit etwas Zeit zu bezahlen ist. Diese beläuft sich bei einfacher Verdrahtung auf eine gute halbe Stunde. Danach sollte nichts mehr so sein wie vorher, sondern alles ein Quäntchen besser.
Je nach dem, wie intensiv vor Ort dazwischen gefunkt wird und wie gut die Komponenten generell gegen Einstrahlungen geschirmt sind, kann der Effekt vermutlich auch deutlicher ausfallen als hier, im Keller, am Abend, mit WLAN & Co zumindest direkt im Raum ausgeschaltet.
In jedem Fall aber sollte das Rack zu erden einen Versuch wert sein.
Abbildungen: HighResMac/Tom Semmler
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