Teslas Ohr-Stecker: Beyerdynamic Xelento Remote
Zur Consumer Electronic Show CES in Las Vegas vor wenigen Wochen hat Beyerdynamic seine neuen Xelento Remote Kopfhörer vorgestellt – als die ersten In-ears mit der Tesla-Technologie der Heilbronner Akustikkönner. Jetzt liegen sie – die Kopfhörer – bei mir auf dem Tisch und ich kann ausprobieren, ob die Vorschusslorbeeren der beyerdynamischen Marketingabteilung zurecht verteilt wurden. Also los:
Allgemein
Mit den Xelento Remote miniaturisiert Beyerdynamic seine Tesla-Technologie erstmalig auf In-ear Format. Die Tesla-Technologie ist so konstruiert, dass sie einen sehr starken magnetischen Antrieb bietet und eine verfärbungsarme Wiedergabe ermöglicht. In Zahlen: Das Tesla-Spitzenmodell T1 hat eine magnetischen Flussdichte von 1,2 Tesla.
Der Wert von 1 Tesla galt allerdings viele Jahre als Schallmauer – Beyerdynamic selbst hatte bei Spitzenkopfhörern bisher bei rund 0,6 Tesla die Obergrenze erreicht. Nun also das doppelte – mit weniger Masse und schnellerer Reaktion als Belohnung. Das, so Beyerdynamic, bildet das gesamte Hörspektrum neutral und präzise ab, liefert einen hohen Wirkungsgrad und exzellente Impulstreue.
Für die deutlich kleineren In-ear Kopfhörer Xelento Remote hat Beyerdynamic die Treiber ebenfalls komplett neu entwickeln müssen: Die Ringmagnete sind 16 Mal kleiner als im Referenz-Kopfhörer T 1, und die Luftspalte bewegen sich im Mikrometer-Bereich. Das ist laut Hersteller an der Grenze des technisch Machbaren.
Lieferumfang
Die Xelento Remote kommen in einer üppigen Verpackung – sie misst 21 x 14, 5,5 Zentimeter und wiegt 480 Gramm. Für zwei Ohrstöpsel ist das ordentlich. Das gilt auch für den Lieferumfang:
Neben den Kopfhörern gibt es zwei Kabel, eines mit und eines ohne Steuereinheit für Smartphone, Tablet & Co. Die Kabel können mittels einer flachen und breiten Blechklammer an beliebigen Kleidungsstücken fixiert werden.
Ebenfalls an Bord ist ein stabiles Transportcase, das fast die Maße eines iPhone 4s hat, aber dreimal so hoch ist (in Zahlen: 7 x 11 x 2,4 cm). Außen wirkt es wie Leder, innen ist es mit samtartigem Stoff ausgekleidet.
Das Highlight sind allerdings die 10 verschiedenen Einsätze für Halt im Ohr: sieben aus Silikon und drei aus Comply, einem Schaumstoff, der sich ähnlich den auf Baustellen üblichen Lärmschutzstöpseln selber zurück in Form bringt und damit zusätzlichen Halt im Ohr gibt.
Und dass ein Quickstart-Guide ebenfalls zu finden ist, versteht sich von selbst. Eines fehlt allerdings: ein Adapter von 3,5 mm auf 6,35 mm, um die Kopfhörer bei Bedarf auch an einen HiFi-Verstärker, DAC oder Kopfhörerverstärker anzuschließen, der nicht ehedem eine kleine Buchse im Frontpaneel trägt.
Verarbeitung
Die Verarbeitung der Beyerdynamic Xelenteo Remote ist vorbildlich bis ins Detail der begleitenden Komponenten:
Die Kopfhörer-Gehäuse sind aus Edelstahl gefertigt, sämtliche Stecker und Buchsen haben Metallgehäuse, alle Kontakte sind vergoldet. Der Kopfhöreranschluss hat einen 90-Grad Winkel und ist durch seinen Metallkorpus gut gegen abknicken geschützt. Die Kabel wirken stabil, die Silikon- und Comply-Polster machen ebenfalls eine gute Figur. Comply ist übrigens ein verformbarer Schaumstoff, den bekannten Lärmschutz-Stopfen ähnlich, allerdings fester und mit verlässlicherem Sitz im Ohr.
Tragestil
Die Xelento Remote sind In-ear Kopfhörer, die ihr Kabel allerdings nicht lose herum baumeln lassen, sondern möchten, dass es nach Oben über die Ohrmuschel nach hinten geführt wird. Das ist clever, denn es vermindert den Zug auf die Kopfhörer und reduziert damit das Risiko, ass diese aus dem Ohr gerupft werden.
Den unliebsamen Zug kann man noch zusätzlich bändigen. Dafür gibt es einen kleinen Schieber, der direkt oberhalb des Punktes angebracht ist, an dem sich die zentrale Zuleitung in die zwei Kabel für rechts und links aufteilt. Je weiter der Schieber nach oben kommt, desto enger führt er die Kabel unter das Kinn.
Das ist weitaus schlechter zu beschreiben als im Alltag umzusetzen, und der positive Effekt auf die Haltbarkeit des Klangs ist deutlich. Also: Kinnriemen straff ziehen und Musik genießen.
Klang
Und wie klingen die Tesla-beflügelten Beyerdynamic Xelento Remote? Her mit den Test-Files:
Der Auflösung vielfältiger Impulse wie sie Domimonk von Michel Portal bietet, sind sind die Ohrzwerge schon mal gewachsen.
Die Bassdrum von Sadist, Song Nr. 3 von Stone Sour’s House Of Gold And Bones Part 2, lassen die Xelento Remote zum Zugucken schwingen, mit sattem und dabei sehr definiertem Punch und realistischem Nachschwingen. Das Stück in Summe klingt dennoch nicht gefettet, sondern perfekt durchhörbar und luftig ohne Einbußen an rockigem Druck.
Auch Detailfülle ist kein Problem für die Tesla-Minis: Die Hihat-Schläge neben dem Schellenkranz-Gerassel in Gregory Porters Musical Genocide stellen sie vorbildlich nebeneinander. Die Stimme des Sängers ist dabei klanglich ohne Makel, wie die Kopfhörer überhaupt ein sehr ausgewogenes und neutrales Klangbild malen. Jedenfalls meistens.
Die Violinen der Frank Bridges Variationen 1. Introduction and Theme von Benjamin Britten, eingespielt von den Trondheim Solistene auf dem Album Reflections, wirken dagegen etwas scharf und klinisch. Ihr feiner Holzklang könnte besser abgebildet sein, zumindest am Kopfhörerausgang des DAC. Am Yamaha-Amp ist das Klangbild dagegen harmonisch. Es scheint als sei die Darreichung von Diskant durch den DAC gepaart mit der Sensibilität für Höhen der Beyerdynamic keine optimale Mischung.
Das bestätigen Hörproben mit Marianne Thorsen & TrondheimSolistene und Ihrer Aufnahme des Allegro aus dem Violin Concerto no. 4 in D major KV 218 von Wolfgang Amadeus Mozart ebenso wie die akustische Versuchung von Maria Callas Una voce poco fa aus Rossinis Barbier von Sevilla, entnommen dem Album Maria Callas Remastered – A Selection. Wobei sich die Callas – im Hintergrund klar zu lokalisieren – mit Hüsteln abzufinden hat.
Damit wären wir bei der Bühne, die der In-ear zaubert. Das Verb ist hier in der Tat angebracht, weil die Kopfhörer Tragestil bedingt sehr nah am Trommelfell agieren und damit wenig natürlicher Raum bleibt, um künstlichen Raum zu schaffen. Das allerdings beherrschen die Beyerdynamic Xelento Remote in beeindruckender Weise: Wo in der Aufnahme Platz angelegt ist, liefern sie ihn auch, unverstellt und unverbastelt, in authentischen Abmaßen, tief wie breit. Und zwar so, wie die Aufnahmen es glauben machen wollen und sollen. Da könnte sich manche Can eine Scheibe von abschneiden.
Standard-Sportlich
Der Fairness Halber müssen die Xelento natürlich auch mit auf die Walz. Dabei zeigt sich schnell: Wie alle In-ears leiden auch sie unter dem Phänomen Trittschall. Jeder Fußkontakt mit dem Boden wird mit einem dumpfen Bumpf im Kopf gemeldet. Wird nicht gelaufen, bieten noch die Kabel Potenzial für Nebengeräusche, und zwar immer dann, wenn sie im Zuge einer Bewegung gegen den Körper schlagen oder auf der Kleidung herumrutschen.
Die Kabel unter dem T-Shirt zuführen, minimiert einige der Begleitklänge. Sich wenig zu bewegen, reduziert weitere. Auf Fußspitzen zu laufen hilft auch. Wobei die Comply-Adapter toleranter scheinen als die Silikon-Kissen. Das mag aber ohrindividuell variieren.
Zug gekriegt
Letzter Test: ICE. Zwei Stunden nach Frankfurt und wieder zurück. Schienengerappel, Stimmengewirr, Handytelefonate und Zugdurchsagen können den Spaß unterwegs gehörig beeinträchtigen und für viele ist ein Noise-Canceling Kopfhörer das Mittel der Wahl. Muss aber nicht sein.
Die Comply-Stopfen der Beyerdynamic-Minis erweisen sich als gute Lärm-Entlästiger. Zwar dringt im Ruhezustand die Umgebung noch ans Ohr, aber gehörig gedämpft und nur als leichtes Hintergrundrauschen. Sobald Schall auf die Membrane kommt, haben die Trommelfelle des Xelento-Trägers genug Ablenkung und die Zugfahrt wird ausschließlich ein optisches Phänomen. Was bei abendlicher Dunkelheit dazu führte, dass ich bei der Rückfahrt in die Musik versunken den Ausstieg in Hannover fast verpasst hätte.
Ihre aktive wie passive Klanggüte, gepaart mit dem robusten Transport-Case und dem geringen Packmaß, macht die Xelento Remote zu einem ernsthaften Tipp für HighRes-Connaisseure auf Reisen.
Fazit
In Summe liefern die Beyerdynamic Xelento Remote ein über alle Genre ausgewogenes und präzises Klangbild, das für einen In-ear erstaunlich viel Raum und Qualität ins Ohr zaubert und auch nicht mit Details geizt. Kleine Nebengeräusche, Transienten, Parallel gespielte Unisono-Passagen – sie verschweigen keine Nuance und sind dabei über das gesamte Tonspektrum extrem fix.
Akademisches Allüren sparen sich die Xelento Remote und geben sich lieber musikalisch. Auf Reisen machen sie Umgebungsgeräusche vergessen, nur beim Sport gibt’s in die Ohren, zumindest beim Laufen. Aber das ist konstruktionsbedingt, nicht als Vorwurf zu werten und mit den Comply-Adaptern in gewissem Maße zu bändigen.
Besonders beeindruckt bei den Xelento Remote die musikalische Präzision und Raumfülle, gepaart mit einer Reaktionsfreude, die ich sonst nur von meinen Elektrostaten kenne. Das macht die Beyerdynamic Xelento Remote zur HRM-Referenz für In-ear Kopfhörer.
Produkt-Daten
Hersteller: Beyerdynamic
Modell: Xelento Remote
Typ: In-ear Kopfhörer
Übertragung: Kabelgebunden
Besonderheit: Tesla-Technologie, Comply-Ohrpolster, Smart-Device Kabel mit Fernbedienung
Wandlerprinzip: Dynamisch, Tesla
Arbeitsprinzip: Geschlossen
Übertragungsbereich: 8 – 48.000 Hz
Impedanz: 16 Ohm
Kennschalldruckpegel: 110 dB (1 mW / 500 Hz)
Klirrfaktor: < 0,2 % Länge der Kabel: jew. 1,3 m Anschluss: 3,5 mm Klinkenstecker, 4-polig Gewicht (ohne Kabel): 7 g pro Paar Preis: 999,00 Euro Hersteller-Website: Beyerdynamic
[vor dem Relaunch]
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