Raumakustik 5: Wegen Umbau besch…ssen
Ich habe es gewagt. Ich habe Hand an meinen Hörraum gelegt. Getreu der Devise, das Bessere sei der Feind des Guten, und im Streben nach dem noch feineren Klang habe ich Narr einfach mal die Einrichtung des Raums gedreht. Geometrisch würde man sagen achsengespiegelt. Was für ein Wahnsinn. Und warum das alles?
Gute Gründe – tiefe Abgründe
Wegen des Stroms. Und weil eine Tür neben der rechten Box keine so aparte Kombination darstellt. Und weil die Geräte ein neues Rack bekommen haben. Weil ein Tisch mit zwei Stühlen aus dem Raum weichen sollte. Und weil ich etwas mehr Sonne auf dem Schreibtisch haben wollte. Aber das ist nur ein Nebenaspekt.
Strom, Rack und Tür waren die drei Hauptgründe für den albernen Aktionismus. Strom, weil es in meinem Hörraum – welch glückliche Segnung einstmals beliebter Heimheißmangeln – eine separat gesichert Steckdose gibt. Neues Rack, weil das überfällig war. Und Tür, weil sie nervte.
Als nun das Rack kam, begann das freudige Dilemma. Denn was passiert, wenn man etwas ändert? Alles steht Kopf.
Aufgeständert zum Ohrenglück?
Vorerst sah es aber noch harmlos aus: Ein Creaktiv Trend, vier-etagig, silber-weiß und auf Bodenkegel gebettet, erklärte sich widerstandslos bereit, meine Klangelektrik zukünftig zu beherbergen. Die wurde mit ihrem Powerstar direkt an die Solo-Versorgung angeschlossen. Und das alles schien eine feine Sache zu sein, da an der türlosen Raumseite die Lautsprecher mehr Bewegungsfreiheit bekamen. Was natürlich dazu reizt, gleich mal den Hahn aufzudrehen. Und:
Offenheit. Eindeutig mehr Offenheit. Mehr Transparenz. Mehr Raum. Die vereinzelte Stromversorgung scheint tatsächlich erwartungsgemäß zu liefern. Und das bereits mit einem banalen Sicherungsautomaten und üblichen Normalo-Steckdosen.
Bestrickend auch der Zugewinn an verlässlicher Bühne. Die nämlich war mit der alten Aufstellung und Geräte-Lagerung mitunter da, mitunter nicht, und selten so transparent wie sie es nun plötzlich wird. Und zwar genre- und quellen-übergreifend. Was zumindest insofern aufatmen lässt, als das Gros der gehorteten Klangkonserven doch nicht von so mäßiger Güte ist, wie noch bis vor kurzem befürchtet.
Von mäßiger Güte ist allerdings etwas anderes: Der Bass.
Fiese Kiste
Dass mein Hörraum etwas fiese Maße hat, mag ich schon einmal berichtet haben. Zur Feier des Tages ließen sie es sich dann auch nicht nehmen, gleich mal ein bisschen ins Kontor zu hauen. Stichwort: Raummoden.
Aber nicht, dass es markerschütternd zu dröhnen begonnen hätte, weit gefehlt. Es begann herzzerreißend zu wimmern. Denn erstaunlicher Weise scheinen die Maße meiner Hörbehausung einen anderen physikalischen Effekt sehr zu begünstigen: Klang-Auslöschung. Während Diskant und Mitten tirilieren, schluckt sich der Bass in den Reflexionen des Raums quasi selbst. Guten Appetit.
Der Raumeigenmoden-Rechner von Dr. Jörg Hünecke bestätigt es schwarz auf weiß: Die Maße meines Hörraums bieten diversen Frequenzen den perfekten Nährboden, um weiße Löcher zu bilden. Es sind von den Top-20 Moden genau 15:
- 31,2 Hz
- 37,3 Hz
- 48,6 Hz
- 72,7 Hz
- 80,8 Hz
- 91,2 Hz
- 93,5 Hz
- 97,2 Hz
- 100,7 Hz
- 111,8 Hz
- 112,4 Hz
- 116,1 Hz
- 117,8 Hz
Das ist frequenztechnisch betrachtet kuschelig eng. All diese dicht bei dicht gelagerten Frequenzen schlucken sich selbst, und damit nicht genug, sie tun es laut grafischer Darstellung leider auch noch genau dort, wo üblicherweise der Hörplatz eingerichtet würde. Eine weiße Landkarte der Tieffrequenz. Schön das zu wissen, aber: Wie bekommt man solche Klanglöcher in den Griff?
Mit Schubkraft
Da hilft nur die Praxis: Boxenschieben. Stuhlverrücken. Einem ersten Anflug von Wahn verfallen. Weiter Boxenschieben. Weiter Stühlerücken. Den zweiten Anflug von Wahn erahnend zum Lautsprecher-Rechner von Dr. Jörg Huenecke browsen. Weil?
Hier lassen sich diverse Raumparameter eintragen, neben den Raummaßen auch Möblierung, Teppiche, Gardinen und die Lautsprecher-Konfiguration. Damit ergibt sich ein Grundbild des zu erwartenden Klangs. Anschließend folgt Schritt 2:
Jeder Lautsprecher und auch der Hörplatz können in einer interaktiven Grafik bewegt werden, ebenso die Höhe der Sitzposition. Und jede Bewegung verändert die Farbverteilung im Raum: Tief rote Flächen stehen für schlechte Basswiedergabe, satt grüne Flächen für gute Bassklänge. Und alles dazwischen für mehr oder weniger Lala.
Elektrohelferlein
Der Rechner erwies sich als nützliche Abkürzung: Die eingegebenen Parameter lieferten ein buntes Bild der Grundcharakteristik, die als relativ mäßig zu bezeichnen ist. Die Option, Lautsprecher und Hörplatz verschieben zu können, dem Wandel der Farben zuschauen zu können und zeitgleich die exakten Maße der jeweiligen Position angezeigt zu bekommen, lieferte unmittelbar interessante Erkenntnisse und wesentliche Hilfestellungen, und das sowohl für die Position der Lautsprecher als auch für die des Hörplatzes.
Das Ergebnis? Ab sofort gehört ein Zollstock zu meinem HiFi-Equipment! Mit ihm wurde die Basis-Aufstellung eingemetert. Und als Boxen und Sessel standen, folgte das Feintuning. Also Boxenschieben und Stuhlverrücken. Allerdings in minimalen Dosen, denn die errechnete Grundaufstellung erwies sich als überraschend tauglich für das Miststück von Raum. Wobei – auch das will ich zugeben – er weiterhin ein Miststück bleibt und noch ein paar weitere Maßnahmen einfordert.
Trotzdem hat sich das lange Wochenende gelohnt: Raum gedreht. Der Tür eins ausgewischt. Exklusive Stromversorgung gesichert. Den Klang hörbar verbessert. Und für die Zukunft weiter Spielraum nach oben. Mal schauen, was ich nächstes Wochenende mache…
Abbildungen: Clker/Ocal; Dr. Jörg Huenecke
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