Raumakustik 3 – Lautsprecher aufstellen II

hrm_logo_15x50Eigentlich müsste es unnötig sein, sich darüber Gedanken zu machen: Schall breitet sich gleichmäßig in jede Richtung aus, heißt es, womit die Lautsprecherboxen im Grunde in eine beliebige Richtung tönen könnten. Nur – wenn sie das tun, klingt es oft gar nicht so super wie gewünscht.

Fiese Prospekte

Ja, genau, es sind die fiesen Prospekte, die einen auf die falsche Fährte locken: Auf jedem beliebigen Foto eines Lautsprecher-Herstellers stehen die Boxen schön parallel zur Anlage, zur Rückwand, zur Seitenwand, zu allem möglichen, was einen rechten Winkel hat. Das gefällt dem Augen, denn es sieht ordentlich aus.

Auch auf Messen sind die Lautsprecher in den Hörräumen mit mehr als zwei Stühlen oft schon im optischen Optimum angeordnet. Sieht schön aus, und weil die Besucher eh erwarten, dass es ihnen die Socken wegpustet, kommt es bei manchen Anbietern auch gar nicht so drauf an, die optimale Klangposition zu finden. Denn die Sensation ist meist: Viel lauter als daheim.

Heim-Probleme

Die Folge all dieser Alltags-Beispiele: Die Boxen werden in den Raum gestellt, mit dem Gesicht nach vorne, zuerst einmal parallel zu einander, und vielleicht auf Spikes oder anderes zum Entkoppeln. Klingt gut?

Naja, geht so, denkt sich der Musikfreund und dreht ein wenig an den Tönern. Etwas nach Innen darf es sein, so ein bisschen, dass es nicht zu krumm aussieht, aber schon besser klingt. Reicht’s schon? Oder noch ein bisschen? Oder doch neue Kabel? Oder noch ein Resonator an die Wand? Eine Bass-Trap in jede Ecke? Oder alles zusammen?

Mal andersrum

Dabei reicht es oft schon, das Pferd von hinten aufzuzäumen, also anders als der Mainstream glauben macht. Was schlicht und einfach heißt, die Boxen als erstes radikal und knall-direkt dem Sweetspot zuspielen zu lassen.

Ein weiterer Grund für das Zuspiel Auge in Auge liegt im Verhältnis von Lautsprecher-Abstand und Hörabstand. Der Sweetspot liegt in einem gleichseitigen Dreieck, und stehen die Boxen 4 Meter auseinander, ist der Sweetspot entsprechend auch 4 Meter von der jeweiligen Boxenschallwand entfernt. Theroretisch.

Kurze Wege

Nun gibt es aber einen Lautsprecher-Hersteller, der auf seiner Website Hörabstände für seine Lautsprecher angibt, die der Beliebigkeit eine klare Absage erteilen. Und vier Meter für die meisten seiner durchaus leistungs- und schalldruckfähigen Lautsprecher schon als gewaltigen Abstand ausweisen: Ich spreche von Gaithein.

Ob die Gaithein-Werte allgemeingültig sind, mag in einem Forum diskutiert werden, Physik neigt aber dazu, überall in der selben Weise zu wirken. Daher hier ein paar Werte als Mutmacher zum kritisch Hinterfragen und zum Ausprobieren.

Typ Watt Watt max Max Schallpegel Empf. Hörabstand
Regalbox 50 80 108 dB peak 1 bis 3 Meter
Regalbox 100 150 111 dP peak 1.5 bis 3 Meter
Standbox 80 120 110 dB peak 1.5 bis 3 Meter
Standbox 160 200 112 dB peak 2 bis 3.5 Meter
Standbox 160 400 115 dB peak 2 bis 5 Meter
Standbox 200 500 118 dB peak 3 bis 6 Meter


Der maximale Schalldruck bezieht sich hierbei auf 1 Meter Abstand.

Allerdings können mehr als drei Meter bei einem ganz bestimmten Boxentyp doch sinnvoll sein: bei solchen mit Hornlautsprechern. Der Grund ist, dass die Hörner wegen ihrer räumlichen Ausdehnung oft nicht so eng aneinander gefügt werden können wie konventionelle Lautsprecher. Erst ein größerer Hörabstand kompensiere das, erläutert David Messinger in seinem sehr interessanten Online-Ratgeber Hifi-Aktiv.

Physik ist clever

Wenn wir jetzt diese beiden Ansätze – relativ kurzer Hörabstand und direktes Zuspiel – in Interaktion betrachten, zeigt sich schnell, warum der Dreh mit dem direkten Zuspiel so sinnvoll sein kann Es hat mit Physik zu tun, die gar nicht so doof ist, wie oft behauptet:

Lautsprecher parallel: Der Sweet-Spot bekommt Randbeschallung, die Reflexionen haben kürzere Wege - das ist maximal suboptimal

Lautsprecher parallel gestellt: Sieht zwar ordentlich aus, aber der Sweet-Spot bekommt Randbeschallung, die Reflexionen haben kürzere Wege – und das ist maximal suboptimal

Zentral bei den weiteren Betrachtungen ist, dass gerade die Hochtöner relativ gerichtet wahrgenommen werden, wobei sie zu allem Überfluss auch viel zur Differenzierung des Klangbildes beitragen. Wenn ihr Schall nicht sauber ankommt, ist eigentlich schon alles verloren.



Sind die Lautsprecher Marketing gerecht parallel gestellt, erreicht den Zuhörer eine seitliche Abstrahlung, die weniger direkte Energie mitführt. Dazu nimmt die Reflexion einen kürzeren Weg als bei direkter Ansprache, sie ist also früher am Ohr. Damit fällt es dem Ohr schwerer, Schallquelle von Schallreflexion zu differenzieren, was das Gehörte weniger präzise klingen lässt.


Sind die Lautsprecher dagegen auf den Sweetspot gerichtet, kommt der Hauptschall auf direktem Weg beim Rezipienten an, währen der reflektierte Schall einen etwas längeren Umweg nehmen muss. Das vereinfacht die Differenzierung und erhöht den Genuss.

Fokus Sweetspot: Der Hauptschall kommt zum Hörer, die Reflexionen haben längere Wege

Fokus Sweetspot: Der Hauptschall kommt zum Hörer, die Reflexionen haben längere Wege

Diesen Ansatz, Lautsprecher auf den Hörer ausgerichtet aufzustellen, findet man übrigens auch in früheren Begleitpapieren zu Lautsprechern von Hans Deutsch. Der Akustik-Pionier schreibt in dem Die Aufstellung hochwertiger Lautsprecher titulierten Papier:

Je weiter nun die Lautsprecher mit ihrer Abstrahlachse auf den Zuhörer hingedreht werden, desto mehr gewinnt das Klanggeschehen an greifbarer räumlicher Abbildung und entsprechender Tiefenstaffelung sowie die Solisten an Plastizität und Packendheit.

Aufstellen – noch mal anders

Björn Brormann, Boxen-Experte beim Händler Auditorium, geht in seinem E-Book zum Thema auch einige Tipps. Die drei interessantesten stellen wir hier vor:

Vor dem großen Boxen-Rücken rechnet Brormann ein bisschen, und zwar mit der Formel

y2 = x * z

Die drei Variablen kennzeichnen die Abstände des Tieftöners – bei zwei Tieftönern der Mitte zwischen beiden – zum Boden, der Rückwand und der Seitenwand. X ist hierbei der kürzeste, Y der der mittlere und Z der längste Abstand.

Nehmen wir an, die Boxen sind bereits aufgestellt, und haben die Werte 40 cm zum Boden, 80 cm zur Rückwand und 100 cm zur Seitenwand, dann lautete die Rechnung:

80 * 80 = 40 * 100

Leider stimmt das Ergebnis nicht, denn 6400 sind nicht gleich 4000. So schlimm ist das aber auch nicht, weil sich aus den Ergebnissen links und rechts des Gleichtheitsstrichs passende Werte ableiten lassen. Zum Beispiel durch Division der 6400 mit 40, was dann 160 cm Abstand zur Seitenwand ergibt. Oder durch die Wurzel von 4000, was dann einen Abstand zur Rückwand von gerundet 64 cm ergibt. Spielen mit anderen Zahlen ist natürlich erlaubt.

Auch beim Winkel für den Start geht Brormann einen anderen Weg. Er startet weder mit den Boxen parallel zueinander noch direkt auf den Hörer ausgerichtet, sondern in der Mitte zwischen diesen Extremen. Ist der Klang zu dumpf, dreht er die Boxen weiter auf den Hörer zu. Sind sie zu schrill, dreht er sie vom Hörer weg. Warum? Weil die Höhen die größte Richtwirkung haben.

Und dann hat er noch ein Überraschungsei parat: Boxen kippen. Das soll gerade bei Hörnern manchmal noch das Tüpfelchen auf das i bringen. Entweder leicht auf den Hörer zu oder leicht gegen die Decke. Das klappt zum Beispiel mit höhenverstellbaren Spikes.

Selbsttest

Da aber jeder Hörraum anders ist und seine ganz individuellen Tücken hat, gilt auch hier wie so oft: Probieren geht über studieren.

Also legen Sie beherzt Hand an: Die Lautsprecher direkt auf den Hörplatz ausrichten und Probe hören. Und dann ruhig mal ein bisschen nach außen drehen und noch einmal genau hinhören. Oder sogar noch ein bisschen?

…just one more thing

Raummoden, Akustikrechner, erste Stellversuche – das ist schon einiges an Wissen im Gepäck. Es gibt aber noch ein paar weitere Aspekte, die einen Gedanken wert sind – in Teil 4 der Raumakustik-Reihe.


Abbildungen: HighResMac



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