HiFi-Voodoo: Einbrennen

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Haben Sie auch schon alles mögliche eingebrannt? Kabel? Boxen? Kopfhörer? Ob es etwas bringt, ist zwischen Physikern, HiFi-Enthusiasten und Voodoo-Anhängern munter umstritten. Schaden kann es aber nicht, also schauen wir uns das Phänomen Einbrennen mal genauer an.

Lötlampe nicht nötig

Es klingt schon dramatisch: Einbrennen. So als würde jemand mit reichlich Leistung Geräte, Kabel und Lautsprecher traktieren, bis sie zwischen Glühen und Abrauchen pendeln.

Stimmt aber gar nicht. Moderat ist stark genug, heißt die erste Regel, und gemeint ist damit: Moderate Lautstärke, vulgo Zimmerlautstärke. Darum sprechen manche auch nicht von Einbrennen sondern von Einspielen. Was ist nun zu tun?

Farbspiele

Man könnte Rauschen abzuspielen. Rosa Rauschen zum Beispiel. Oder weißes Rauschen. Gemeinsam ist beiden, dass sie alle Frequenzen des hörbaren Spektrums abdecken, wobei rosa Rauschen zu den hohen Tönen hin in der Intensität abnimmt, analog zu dem Verhalten des Gehörs, während weißes Rauschen praktisch konstant über das gesamte Frequenzband liefert – und als höhenbetont wahrgenommen wird. Das Ohr ist also physikalisch betrachtet eine Mogelpackung.

Daneben gibt es noch rotes Rauschen, auch Brown Noise genannt, bei dem sich die Leistungsdichte umgekehrt proportional zum Quadrat der Frequenz verhält. Es ist also Tiefenbetont – und nach einem schottischen Botaniker benannt und nicht nach dem englischen Wort für die Farbe braun.

Deutsch Englisch physikalisch Intensität Hörempfinden Bild
Rotes Rauschen Brown Noise 1/f2 Zu den Höhen stark abfallend dunkel; gedämpft
Rosa Rauschen Pink Noise 1/f Zu den Höhen hin geringer Gleichmäßig
Weißes Rauschen White Noise S(f)=const. gleichmäßig Höhenlastig
Blaues Rauschen Blue Noise zu den Höhen hin ansteigend stark höhenlastig
Violet Noise zu den Höhen hin stark ansteigend extrem höhenlastig

Die Farbbezeichnungen weiß, rosa, rot , violett und blau sind übrigens eine Analogie zum Lichtspektrum – auch da sind die längeren Wellen rot und die kurzen Wellen violett. In der englischsprachigen Wikipedia finden sich auch Hörbeispiele der Rausch-Typen.

Training

Damit das home-made einbrennen klappt, ist eine Datei mit dem gewünschten Rauschen hilfreich.

Da weißes, rosa und rotes Rauschen physikalisch unterschiedliche Schwerpunkte setzen, können je nach Set-up und Klangcharakter beispielsweise die Lautsprecher für einzelne Frequenzanteile besonders trainiert werden.

Und wie bei allen Dingen, die an etwas gewöhnt werden sollen, ist es nicht zu empfehlen, gleich ins Extrem zu gehen.

Timing

Daher ist Timing nötig. Nicht drei Tage non stop rosa Rauschen, sondern nur einige Stunden, danach eine Pause mit oder ohne Musik, und dann wieder einige Stunden im Rausch des Rauschens.

Das kann zum Beispiel heißen, während des Tages ganz normal Musik zu hören und über Nacht die Anlage vor sich hin rauschen zu lassen. Wobei als obere Grenze häufig acht Stunden genannt werden.

Töne

Fehlen natürlich noch die Dateien. Die liegen leider kaum je einem Kabel oder Lautsprecher bei, so dass im Zweifel das Web nach Angeboten abzusuchen ist. Oder Sie einfach den folgenden Link klicken:

Auf der Website udiocheck.net finden sich unter der Rubrik High Definition Audio Test Files unter anderem Weißes und Rosa Rauschen in Qualitäten bis zu 192 kHz und mit einer Frequenzbreite von 1 bis 96.000 Hertz. Das ist ordentlich jenseits des Hörbaren und sollte auf jeden Fall für einen Versuch reichen.

Los geht’s

Sind die Dateien lokal gespeichert, kann es los gehen. Am besten ist, die Dateien mit einem leistungsfähigen High-Res Player abzuspielen. Für diesen Artikel darf das Audirvana Plus 2 erledigen.

Um die Rausch-Files möglichst unverfälscht aus dem Rechner weiter zu reichen, empfiehlt es sich, in den Einstellungen von Audirvana unter ~Audio System/Low Level Wiedergabeoptionen alle drei Optionen anzuklicken, insbesondere aber den Integer Mode, denn so wird die Audio-Bearbeitung des Mac umgangen.

Drei Häckchen sichern den Erfolg – falls es ihn gibt

Drei Häkchen sichern den Erfolg – falls es ihn gibt

Wer die Rausch-Dateien nicht permanent in seiner Musik-Bibliothek beheimaten möchte, kann sie in einem separaten Ordner speichern und diesen in den Einstellungen unter Library hinzufügen, synchronisieren und nach getaner Arbeit wieder löschen.

Ist das erledigt, bleibt nur noch, die gewünschte Rausch-Datei auszuwählen, im Wiedergabefenster Repeat all zu aktivieren und Play zu drücken. Schon wird’s berauschend.

Repeat all – das Oval des berauschenden glücks

Repeat all – das Oval des berauschenden Glücks

App-Hilfe

Da sich die üblichen Musikprogramme nicht timen lassen und vermutlich keine mehrstündige Datei mit Rauschen zu finden ist, kann eine Smartphone-App helfen. Die heißt Burn-in Tool und ist vom japanischen Kopfhörer-Hersteller Moshi in den App-Store gestellt worden.

Mit der kostenlosen iOS-App Burin-in Tool von Moshi lässt sich der Rausch timen

Mit der kostenlosen iOS-App Burin-in Tool von Moshi lässt sich der Rausch timen

Sie ist eigentlich für die hauseigenen Produkte gedacht, erlaubt aber auch, selber Namen zu vergeben – auch die von verschiedenen Rausch-Farben. Denn das Burn-in Tool bietet insgesamt vier Sorten Rauschen an:

  • White Noise
  • Pink Noise
  • Brown Noise
  • Violet Noise

Um die Anlage zu trainieren, kann man über Nacht einfach die Rauschfarbe der Wahl aktivieren und einen Timer einstellen. Moshi bietet zwar nur einen Zeitraum von 10 bis 120 Minuten an, der in 10-Minuten Schritten gestaffelt ist. Aber auch zwei Stunden am Stück sind schon ein Start, zumal wenn ein altes iPhone sonst zu Hause nichts zu tun hat.

Dauer-Lauf

Wie schon gesagt, die Kette konstant zu berauschen, ist nicht zwingend zielführend. Und um es noch unberechenbarer zu machen, ist die Zeit, die die jeweilige Anlage eingerauscht werden sollte, auch nirgends festgelegt. Foren sind hier so auskunftsfreudig wie uneinig:

Zwischen 100 und 200 Stunden pendeln die Aussagen, also die Zeitfenster, die auch bei klassischem Einspielen genannt werden.

Lärmschutz

Ein Problem bleibt allerdings noch zu lösen: Auch Zimmerlautstärke kann nerven. Wer sich für Rausch-Dateien entscheidet, kann allerdings den Lärm mit angewandter Physik austricksen!

Dazu einfach die Boxen mit dem Gesicht in fünf Zentimeter Abstand zueinander aufstellen und eine der beiden falsch herum anschließen – also bei einer Box den Pluspol des Verstärkers mit dem Minuspol der Lautsprecherbox verbinden.

Die linke Box korrekt, die rechte invers angeschlossen und mit dem Gesicht zu einander in 5 cm Abstand aufgestellt – schon löschen sich Teile des Rauschens gegenseitig aus

Die linke Box korrekt, die rechte invers angeschlossen und mit dem Gesicht zu einander in 5 cm Abstand aufgestellt – schon löschen sich Teile des Rauschens gegenseitig aus

Durch die Umkehrung des Signals löschen sich große Teile der Schallanteile von selbst aus. Den Rest erledigt eine Wolldecke, die man über das Klang-Ensemble hängen kann.

Und wer misstrauisch ist, dass die Lautsprecher tatsächlich in gleicher Weise beansprucht werden, kann einen Durchgang mit der linken Box in korrekter Anschlussweise und den nächsten mit der rechten Box in korrekter Anschlussweise fahren.

Professionell berauscht

Wem ein berauschtes Heim zu nervtötend ist, kann immerhin seine Kabel auch professionell einbrennen lassen – oder sich für rund 900 Euro ein Bluehorizon Proburn kaufen und zu Hause in Stille Erfolge feiern.

Mit dem Bluehorizon Proburn lassen sich diverse Kabeltypen einbrennen

Mit dem Bluehorizon Proburn lassen sich diverse Kabeltypen einbrennen

Das Proburn arbeitet in drei Weisen anders:

  1. Auch sein Frequenzband ist weiter als 20 bis 20.000 Hertz – es startet bei 10 Hertz und geht hinauf bis auf 40.000 Hertz.
  2. Die Frequenzen sind nicht wie bei Rauschen gleichmäßig verteilt, sondern wechseln die Frequenzbereiche in unregelmäßigen Abständen.
  3. Die Peaks der Frequenzen schlagen weiter aus, um Lautsärkespitzen zu simulieren und den Einbrenneffekt zu intensivieren.

Voodoo oder Wahrheit?

Bleibt die Frage, ob das nicht alles bloß ein weiterer HiFi-Voodoo-Baustein ist. Und um ehrlich zu sein: Auch darüber streiten Foren-Teilnehmer weltweit munter vor sich hin. Während die einen sagen, dass Kabel schlicht Metall sind und sich da gar nichts ändert, argumentieren andere mit mehr Blick auf’s Detail, genauer die Elektronen.

Die Theorie lautet für die weniger Physik-Begabten ins Hochdeutsche übersetzt, dass sich die Elektronen im Kabel prinzipiell frei bewegen können und in alle Richtungen unterwegs sind. Durch Einbrennen, also einen breitbandigen konstanten Energiefluss in eine Richtung, werden die Elektroden gezwungen, sich in entsprechender Weise auszurichten. Das soll dann die Signalqualität verbessern.

Ohren-Antwort

Natürlich kann niemand in ein Kabel hinein schauen und bestätigen, dass nach einer Weile rosa Rauschen oder multifrequenzieller Spezialbeschallung tatsächlich alle Elektronen brav in eine Richtung gucken. Aber die Ohren haben dazu schon eine Meinung, und die ist bei den meisten: Es scheint tatsächlich zu funktionieren.

Und selbst wenn es eine herrliche Scharlatanerie ist: Kaputt machen kann man mit 100 Stunden Rauschen nichts. Außer einer Illusion, vielleicht.



Abbildungen: HighResMac

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